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Sehr geehrtes Fräulein

Mittwoch 17.02.2021 - in Allgemein

Was erwarten Sie von einer systemrelevanten Bank? Hervorragende Finanzdienstleistungen, top Kundenservice und ein hoher Grad an Digitalisierung? Starten wir erst einmal mit dem kleinen Einmaleins.

Dienstag, 9. Februar 2021 um 11.47 Uhr. Ich leere den Briefkasten. Ein kleines Paket und drei Briefe liegen drin. Auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches. Als ich das weisse, neutrale Fenstercouvert öffne, traue ich meinen Augen kaum.

Sehr geehrter Herr Hubacher, sehr geehrtes Fräulein (Name)

Kann es wirklich sein, dass eine Frau im Jahr 2021 als Neutrum angeschrieben wird? Bereits während meiner kaufmännischen Ausbildung vor über 25 Jahren galt das sächliche Genus als veraltet. Wie ist es möglich, dass eine antiquierte Ansprache den über 5000 Mitarbeitenden in der Bank nicht auffällt?

Gegen aussen positioniert sich das Unternehmen fortschrittlich, kundenorientiert und modern. Sie loben ihr Diversity-Management und haben begeisterte Kundinnen und Kunden zum Ziel. Ihre Werte beschreiben sie wie folgt: Impulsgeben (Inspirieren, Vorausdenken, Mut zeigen), Verantwortungsvoll (Verlässlich sein, Nutzen stiften, Da sein), Leidenschaftlich (Engagieren, Begeistern, Dran bleiben).

Was nützen Diversity-Programme, Hochglanzprospekte oder Kundenversprechen, wenn die erste Briefzeile den Charme der 60er Jahre versprüht. Glücklicherweise mussten wir nur ein Mietzinsdepot eröffnen. Übrigens wurde in Deutschland die Anrede ‚Fräulein‘ am 16. Februar 1971, fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, im Amtsverkehr abgeschafft.

Bekanntlich ist Motzen keine Leistung und niemand ist frei von Fehlern. Doch das kleine Einmaleins sollte sitzen. Eine Marketingabteilung muss wissen, was die Kunden zu lesen bekommen. Ansonsten bleibt von den eigenen Werten (Begeisterung, Inspiration, Vorausdenken) nur wenig übrig.

Ein fröhlicher Gruss

Ralph Hubacher