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30.11.2017

Der berühmte erste Satz

Zürich im Spätsommer, Interview im Lilly Jo mit Drehbuchautorin, Regisseurin und Kolumnistin Güzin Kar. Ich lernte nicht nur, warum eine Idee nichts wert ist, sondern auch weshalb der erste Satz sitzen muss…

Güzin Kar ist ein richtig inspirierender Mensch. Ich frage mich, ob sie eine humoristische Philosphin oder eine philosophische Humoristin ist. Vermutlich ist das auch egal. Ihren Herzenswunsch, einmal in einer Chipsfabrik zu leben, teile ich voll und ganz. Neben ihrer spitzen Feder, gefällt mir auch ihr praktischer Ansatz. Eine Idee sei grundsätzlich nichts wert, sagt sie. Am einfachsten hören Sie es gleich von Güzin direkt.

Schon vor einiger Zeit hat mich Güzin in das Geheimnis rund um den berühmten ersten Satz eingeweiht und mir eine kleine Zusammenfassung dazu gegeben. Diese teile ich gerne mit Ihnen:

Der berühmte erste Satz

Wie hole ich den Leser in den Text?
Anekdotischer Anfang: Zitat, Begebenheit.
Informativer Anfang: Lagebeschreibung oder wichtiges Wissen  als Voraussetzung fürs Verständnis.
2 Wichtige Dinge müssen geleistet werden: Realitätsgrad und Tonfall etablieren.

Berühmte Textanfänge:

Es war ein strahlender, kalter Tag im April und die Uhren schlugen Dreizehn. George Orwell: 1984
– Es war ein verrückter schwüler Sommer, dieser Sommer, in dem die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl kamen und ich nicht wusste, was ich in New York eigentlich wollte. Sylvia Plath: Die Glasglocke
Heute ist Mama gestorben. Oder vielleicht auch gestern. Ich weiß es nicht genau. Albert Camus:  Der Fremde
– Alle Kinder, bis auf einen, werden erwachsen. (J.M. Barrie: Peter Pan)
– Er war ein alter Mann und er fischte allein in einem Boot im Golfstrom, und seit vierundachtzig Tagen hatte er keinen Fisch gefangen. (Ernest Hemingway: Der alte Mann und das Meer)

Schlechte Romananfänge:

It was a dark and stormy night. Edward George Bulwer-Lytton: Paul Clifford. (ist inzwischen berühmt als schlchtester Anfang aller Zeiten, aber als Klassiker schon wieder gut)
Der Motor des niegelnagelneuen mattsilbernen BMW Z8 Cabrio heulte auf. Ein sattes Heulen in der stahlblauen Morgenluft der Südersteinstraße. Ein Heulen wie ein Messer. Wunderbar. (unbekannter Autor)
Ich sitze hier vor einem weißen Blatt Papier und weiß gar nicht was ich eigentlich schreiben soll. (Klassiker der schlechten Textanfänge auf der Metaebene)

Wichtig: So spät wie möglich einsteigen.

Übrigens: Nicht ganz unwesentlich wird der erste Satz auch im nächsten Blog sein. Titel: Das Weihnachtskarten Desaster.

Ein frischer Gruss

Ralph Hubacher

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