Besuche bei Postfilialen sind grauenhaft. Triste Schalterhallen voller genervt-gelangweilt-wartenden Menschen und glanzloser Service am Schalter. Doch beim letzten Besuch war alles anders.
Vermutlich sollte man sich nicht zu laut über die Filialen der Post beschweren, sonst werden auch die in Zukunft geschlossen. Bashing ist aber keine Leistung. Deshalb teile ich lieber meine letzte Erfahrung, denn die war positiv.
Es war kurz nach Mittag, als ich die Geschäftsstelle betrat. Zum Glück warteten nur wenige Kunden. Ich zog die Nummer 138 und knapp 3 Minuten später blinkte der Schalter C auf. Eine junge Frau grüsste freundlich. Ich gab ein Paket auf und hatte einen Grossbrief dabei, bei dem ich, weil er etwas unförmig war, die korrekte Frankatur nicht wusste. Sie mass den Brief mit einem Speziallineal, klebte eine Briefmarke drauf, ich bezahlte… und normalerweise wäre hier fertig gewesen.
Die Mitarbeiterin fragte mich, ob ich öfters spezielle, dicke Sendungen verschicke und unsicher mit der Frankatur sei. Ich bejahte. “Mit dem Post-Speziallineal können Sie die Dicke ganz einfach bestimmen. Möchten Sie eines?” Auf meine Frage wie teuer so ein Ding sei, schaute sie mich leicht irritiert an. “Ich gebe Ihnen gerne eines mit, das kostet nichts”. Dankend nahm ich ihr Angebot an. Dummerweise fand sie in all ihren Schubladen kein weiteres Lineal. Also fragte sie ihren Kollegen am Nebenschalter, der jedoch wenig interessiert nur mit den Schultern zuckte. Das war’s dann wohl.
Ich fühlte mich in meinem negativen Vorurteil bestätigt: Nette Mitarbeiterin, hat’s immerhin versucht. Bin hier ja bei der Post, nicht beim Concierge eines 5-Sterne Hotels.
Doch Obacht, diese Rechnung hatte ich ohne die engagierte Mitarbeiterin gemacht. Sie entschuldigte sich kurz und ging schnurstracks zu ihrem Vorgesetzten ins Büro. Sie fragte ihn nach einem Lineal, aber ihr Chef schaute sie nur gelangweilt an und zuckte mit den Schultern. Doch sie liess nicht locker, bis er ihr einen Schlüssel aushändigte. Dann verschwand sie durch eine Tür und kam zwei Minuten später zurück. In der Hand hatte sie einen Spezial-Lineal, den sie mir freundlich lächelnd überreichte.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wo der WOW Unterschied liegt. Auf den ersten Blick mag dieses Kundenerlebnis nicht besonders verblüffend erscheinen. Trotzdem bin ich begeistert, denn in vielen Unternehmen steckt hinter der serviceorientierten Oberfläche nicht sonderlich viel. Zwar sprechen alle von der Extra-Meile für den Kunden. Doch wenn’s darauf ankommt, sind nur wenige bereit sie auch tatsächlch zu gehen.
Die Mitarbeiterin hätte zahlreiche Gründe gehabt, Dienst nach Vorschrift zu leisten. Doch sie suchte keine Ausrede, sondern eine Lösung. Egal, dass die Schalterhalle schmucklos ist. Egal, dass sie in einem prozessorientierten Unternehmen arbeitet. Egal, dass sie jeden Tag hunderte Kunden sieht. Egal, dass Hürden auf dem Weg auftauchten. Egal, dass weder ihr Kollege nicht ihr Chef sie unterstützt hatten. Egal, egal, egal… sie ging die Extra-Meile und machte den WOW Unterschied.
Ein fröhlicher Gruss vom Vierwaldstättersee
Ralph Hubacher
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