Was geschieht, wenn der grosse Verwaltungsrat auf den kleinen Praktikanten trifft? Und sieht man sich tatsächlich immer zweimal im Leben? Mehr dazu in diesem Blog.
Zugegeben, etwas angespannt war ich schon. Seit Tagen wurde über die Klausur der Verwaltungsräte gesprochen, die in den nächsten Stunden eintreffen. Sie müssen wissen, ich war Praktikant an der Rezeption des damals besten 5-Sterne Hotels der Schweiz und es handelt sich nicht um einen beliebigen Vorstand, sondern um den des eigenen Hotels. Der Druck war gross, alles musste perfekt sein und es durfte kein Fehler passieren.
Zuvor hatte ich erst einen der Vorstände kennengelernt. Was soll ich sagen; 100 Punkte auf dem Negativ-Konto. Mir als Praktikanten gegenüber ist er schroff, unhöflich und mit Geringschätzung begegnet. Kein gutes Omen für die nächsten zwei Tage. In der illustren Truppe der Verwaltungsräte war neben vermögenden Investoren auch ein preisgekrönter Hotelier dabei.
Die Check-ins verliefen zum Glück unspektakulär, die Herren (tatsächlich ausnahmslos Männer) waren freundlich, korrekt und anständig. Als einer der letzten kam der Hotelier-Verwaltungsrat zu Tür rein. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis sein lachendes Gesicht und sein freundliches Wesen die ganze Lobby erfasste und alle Menschen im Raum ansteckte. Er begrüsste jeden Mitarbeitenden am Empfang mit einem Handschlag und stellte sich kurz vor. «Ah, Sie sind der Ralph Hubacher, ich habe gehört, dass wir in derselben Gegend, nur wenige Kilometer voneinander entfernt, aufgewachsen sind.» Selten war ich so überrascht. Der grosse Verwaltungsrat wusste über mich, den kleinen Praktikanten, Bescheid und war informiert. Zwei Tage später verabschiedete er sich eben so herzlich bei allen Mitarbeitenden an der Rezeption. Er gab mir seine Karte und bot mir an ihn anzurufen, wenn ich während meiner beruflichen Laufbahn Unterstützung brauche oder er mir mit seinen Kontakten weiterhelfen kann. Ich war sprachlos.
Sechs Jahre vergehen. Inzwischen leite ich die Verkaufs- und Marketingabteilung eines Beratungs- und Trainingsunternehmens. Um die vielen Kundenprojekte zu meistern, waren wir regelmässig auf die Ressourcen von externen Partnern angewiesen. So staunte ich nicht schlecht, als mein Vorgesetzter mich zu einem Interview mit einem potentiellen externen Partner einlud. Es war niemand geringeres als der sympathische Hotelier, der inzwischen den Schritt in die Selbständigkeit gewagt hatte und nach Kooperationspartnern suchte.
Nicht nur sieht man sich zweimal im Leben, sondern auch das Blatt kann sich um 180-Grad ändern. Plötzlich war ich nicht mehr der kleine Praktikant, sondern der, der die hochdotierten Aufträge an die Partnerunternehmen vergibt. Es fiel mir nicht schwer, mich an die erste Begegnung vor sechs Jahren zu erinnern. So entstand nicht nur eine langjährige und fruchtbare Geschäftsbeziehung, sondern auch eine Freundschaft mit gemeinsamen Biketouren, feinem Essen und gutem Wein.
Ehrlich gelebte Wertschätzung führt, davon bin ich überzeugt, über kurz oder lang zu Wertschöpfung.
Ein fröhlicher Gruss
Ralph Hubacher
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