Verdattert schaute der Teenager in die Kühlvitrine des Hofladens. «Wo ist der frische Alp-Käse? Da liegt bloss gereifter aus dem Vorjahr. Was soll das!»
Ich stand wenige Meter neben ihm, als er sich lauthals beschwerte. Meine Impulskontrolle versagte. «Hey Meister», sprach ich ihn an, «es ist Ende Juli, die Kühe sind erst seit wenigen Wochen auf der Alp.» Mein Hinweis erntete bloss Erstaunen. Die simple Verknüpfung, dass es vom Alpaufzug der Kühe bis zum ersten verkaufsfertigen Käse ein paar Monate dauert, überforderte ihn. Sein Hirn war vermutlich auf den Konsummodus: ‘Jetzt, immer und überall’ konditioniert. «Das Leben ist halt kein App Store» rutschte es mir raus.
Im App Store lässt sich in Sekundenschnelle so ziemlich alles kaufen, was das Herz begehrt. Mittlerweile von praktisch jedem Punkt der Erde. Rund um die Uhr. Das neuste Game gefällig? Voilà! Eine App zum Entspannen? Gerne doch! Fitnesstracker? Hmmmmm, sorry, dauert kurz, doch mit Same-Day-Delivery liegt der heute noch in deinem Briefkasten.
Blöd nur, mit dem Fitnesstracker wird keine Fitness mitgeliefert. Die Meditationsapp enthält weder Ruhe noch Gelassenheit. Soziale Netzwerke wie Insta oder Facebook bringen zwar Likes und Aufmerksamkeit, aber weder echte noch vertrauensvolle Freundschaften. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben gibt’s nicht im App Store. Vor allem weder gesunden Menschenverstand, Anstand und Respekt.
Künstliche Intelligenz wird bestimmt bald schon alle Fragen rund um Wertschätzung beantworten können. Doch was nützt das, wenn du im Alltag keine Wertschätzung erfährst? Was helfen 10k+ Kontakte in sozialen Netzwerken, wenn du dich einsam fühlst?
Allen kritischen Gedanken zum Trotz, ein Bashing der virtuellen Welt verbiete ich mir. Die digitalen Möglichkeiten im Alltag sind mehr als nur hilfreich. Sie sind essenziell. Sie retten gar Leben.
Goethe hat gesagt, dass von Herzen kommen muss, was auf Herzen wirken soll. Wie recht er hat. Das Leben wird bekanntlich vorwärts gelebt, um es rückwärts zu verstehen.
Ein fröhlicher Gruss, Ralph Hubacher