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07.08.2025

Trüb

Manche Menschen können nicht einmal einen Sonnenuntergang geniessen, ohne etwas daran auszusetzen. Wo immer sie sind, was immer sie tun, sie finden überall ein Haar in der Suppe. Es ist sooo anstrengend mit ihnen.

Wenn möglich, halte ich Abstand. Nicht falsch verstehen, das sind keine schlechten Menschen. Sie entziehen mir einfach zu viel Energie, die ich lieber für etwas anderes nutze.

Was einfach tönt, wird in der Realität schnell schwierig. Im Arbeitsumfeld kann man Kolleginnen, Vorgesetzte oder Kundschaft nicht endlos meiden. Wer Glück hat, hatte noch nie mit einem Nörgler zu tun. Falls doch wissen sie haargenau, von was ich spreche.

Ich habe mehrere Jahre mit so einer Person gearbeitet. Überkritisch, problemorientiert, der Blick immer auf das Negative gerichtet. Kein Wunder, dass die Spannungen im Team wuchsen. Ich musste handeln und suchte das Gespräch.

Zum Meeting brachte ich zwei Gläser Wasser mit, beide zur Hälfte gefüllt. „Welches davon ist halb voll?“, fragte ich ihn. Er schaute mich verwundert an und zögerte mit der Antwort. „Es spielt keine Rolle“, sagte ich.

Dann nahm ich ein kleines Säckchen Sand aus meiner Tasche und schüttete es in eines der Gläser. Das Wasser wurde trüb.

„Solange das Wasser klar ist, sind die Dinge im Fluss. In dem Moment, wo es trüb wird, gerät alles ins Stocken. Genauso wie beim ständigen Herumnörgeln.“

Stille.

Dann wurde sein hartes Gesicht weicher und plötzlich erschien sogar ein Lächeln. Wir führten ein langes, ehrliches Gespräch.

Hat es sein Verhalten grundlegend verändert? Nein. Er blieb ein kritischer, vorsichtiger Mensch, was völlig in Ordnung ist. Aber wenn er wieder zu sehr in sein altes Muster zurückfiel, sagte ich nur ein Wort: „Trüb.“ Und wir mussten beide lachen.

Übrigens: Ein schottischer Barkeeper in Inverness sagte mir mal, es sei völlig egal, ob das Glas halb voll oder halb leer sei. Hauptsache, es ist ein Single Malt drin. Doch das ist eine andere Geschichte …

Ein fröhlicher Gruss, Ralph Hubacher

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