Wenn Vorgesetzte in den Urlaub fahren, ist das selten eine grosse Sache. Ausser, es steht ein Sabbatical von vier Monaten an. So wie in meinem Fall.
Nun, wir sprechen leider nicht von meinem Sabbatical, sondern von dem meines Chefs. Ich sollte ihn in seiner Abwesenheit vertreten. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, der ich mir aber nicht ungern stellte.
Die Übergabe ging, dank einer guten Planung, effizient und reibungslos über die Bühne. Mit einem kleinen, feinen Apéro verabschiedete er sich am Freitag vom Team.
Es war früh am Sonntag Abend, als ich ein leichtes Kribbeln im Bauch verspürte. Erste Selbstzweifel kamen in mir auf und wurden immer lauter. «Bin ich in der Lage, die Aufgabe in einer hohen Qualität zu meistern?» «Werde ich die richtigen Entscheide zu treffen?» «Was, wenn ich den Ansprüchen der Kunden und dem Team nicht gerecht werde?» Die quälenden Fragen hörten nicht auf. Als ich mich schlafen legte, wurden es immer mehr.
Das mulmige Gefühl war sehr präsent, als ich am Montag um 6.30 Uhr als erster das Büro betrat. Zuerst startete ich die Kaffeemaschine, dann den Computer (in genau dieser Reihenfolge, die dunkeln Ringe unter den Augen liessen nichts anderes zu). Auf meinem Pult lag ein kleiner Umschlag. Ich war überrascht, öffnete ihn und fand eine Karte von meinem Vorgesetzten mit einigen handgeschriebenen Zeilen.
«Danke Ralph. Ich hätte es nie für möglich gehalten, mit einem so guten Gefühl ein Sabbatical anzutreten. Ohne dich wäre das schlicht nicht möglich. Ich kann mir niemanden besseren vorstellen, der während meiner Abwesenheit die Abteilung leitet. Ich weiss, dass unsere Kunden und das Team bei dir in den besten Händen sind. Es kann sein, dass du mal unsicher bist und Entscheide nicht immer leicht zu fällen sind. Das ist normal und zeigt einzig auf, dass du die Sache nicht auf die leichte Schulter nimmst. Vergiss nie, was uns über die Jahre erfolgreich gemacht hat: Spass an der Arbeit haben und mutig sein! Lass es poltern!
Die Zeilen fühlten sich an wie Raketentreibstoff. Anstelle der unguten Gefühle machten sich Zuversicht, aber auch Freude und Lust, die Aufgabe anzupacken, breit.
Niemand muss ein Sabbatical planen, um den engsten Mitarbeitenden und Kollegen eine Freude zu bereiten. Auch braucht es keine opulenten Geschenke. Es zählen die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Oder wie Goethe es treffend formulierte: «Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.»
Ein fröhlicher Gruss, Ralph Hubacher