Es war meine erste Stelle nach dem Studium. Zugegeben, ist ein Weilchen her. Ich durfte die Verkaufsabteilung einer aufstrebenden Firma leiten. Als ‘Neuer’ wollte ich mich beweisen. Doch mein Chef lehrte mir eine Lektion, die ich nie mehr vergessen habe…
Noch so richtig schön grün hinter den Ohren, habe ich einen theoretisch wunderbaren Massnahmenplan ausgearbeitet. Selbstverständlich war die Konkurrenzanalyse ein wichtiger Teil davon, denn das wurde einem so beigebracht. Total motiviert wollte ich sechs Unternehmen mit ihren Produkten, ihren Servicen, ihrem Pricing und was man sonst noch alles so rausfindet, unter die Lupe nehmen. Das ganze qualitativ mit Mystery Shoppern.
Die Begeisterung meines Chefs über die Konkurrenzanlayse war gering und er fragte mich, was ich damit genau bezwecke. Ich wolle ein Gespür für den Markt aufbauen, wissen wie die Mitbewerber auf dem Markt auftreten und mit den Informationen die eigenen Angebot und Produkte optimieren, lautete meine Antwort. „Wenn du meinst dies ist der beste Weg“, meinte er und gab mir einen Monat Zeit. Pünktlich lieferte ich die Analyse ab und wusste nun, dass wir zu den teuersten Anbietern gehörten, im Kundenservice besser abschnitten und die Produkte dem Zeitgeist entsprachen. Zugegeben, meine Ideen für die Produkteentwicklung und die Vermarktung waren so sehr auf die Konkurrenz bezogen, dass ich heute noch nicht verstehe, weshalb mein Chef seine gute Laune behalten hat. Wahrscheinlich freute er sich auf die kommende Lektion.
Er gab mir eine Liste mit 20 Kontakten. Bunt gemischt aus bestehenden Kunden, branchenfremden Personen, potenziellen und ehemaligen Kunden. “Ruf sie an, triff sie zum Kaffee oder zum Mittagessen, nimm dir genügend Zeit, stelle gute Fragen und höre vor allem gut zu, was sie zu sagen haben. Sie sind die Gesichter von dem, was man in der Theorie als Markt bezeichnet wird.“ Gesagt getan. Sie werden sich nun kaum wundern, dass meine Analyse und vor allem die Massnahmen deutlich kreativer und innovativer waren. Keine Spur mehr von ‘me too’ oder ‘more of the same’. Seither, das war im Jahr 2003, habe ich keine einzige klassische Konkurrenzanalyse mehr gemacht. Danke für die Lektion.
Generell schauen wir viel zu selten über den Tellerrand hinaus. Zahnärzte treffen sich mit Zahnärzten, Metzger mit Metzger, CEO’s mit CEO’s… hier eine ERFA Gruppe, da ein Branchentreffen. Wir sprechen vor allem mit Menschen die wir kennen und gerne mögen, treffen Lieblingskunden mehrmals im Jahr, schauen aber den kritischen Kunden nicht zu oft begegnen zu müssen. Wir schmoren gemütlich im eigenen Saft vor uns hin. Kein Wunder führt das zum Schmorbrateneffekt. Irgendwann sind wir dann weichgekocht.
Gegen guten Erfahrungsaustausch ist nichts einzuwenden. Doch es liegt deutlich mehr drin. In der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl von guten Veranstaltungen mit tausenden unterschiedlicher Themen. Alle sprechen von Disruption, aber nur wenige schauen wirklich über die eigenen Grenzen hinaus. Warum sich nicht jetzt eine Stunde Zeit nehmen und eine Liste mit 20 Leuten und Veranstaltungen zusammenstellen, die einem inspirieren und weiter bringen? Darunter darf auch ein Kunde sein, den Sie vor ein paar Monaten verloren haben. Oder der Dorfbäcker, der innovativ ist. Oder ein Affiliate Marketing Forum. Oder ein Spaziergang mit einem Künstler, von dem Sie mal ein Bild gekauft haben. Oder, oder, oder…
Wenn Sie ein Team oder ein Abteilung leiten, dann involvieren Sie Ihre Leute. Wenn jeder von ihnen 5 inspirierende Menschen trifft und sie sich danach austauschen, werden Sie überrascht sein, welche neuen Ideen für Ihr Business entstehen.
Übrigens: Wie so oft im Leben geht es ums TUN. Nicht zu lange planen, sondern den Telefonhörer in die Hand nehmen oder per Mail für ein Treffen anfragen. Nicht übermorgen, jetzt.
Ein frischer Gruss
Ralph Hubacher
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